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Eisbergtauchen in Grönland
22.09.2017
von Dr. Florian Dams

Als die kleine Turboprop langsam in den Sinkflug ging und erst einer, dann zwei, dann immer mehr Eisberge und schlussendlich die schroffe Küste Ostgrönlands sichtbar wurde, ging nicht nur ein Raunen durch die Flugkabine. Edith Köber und Florian Dams, der Webmaster des VIT, konnten in dem Moment geringfügig erahnen, was für Erlebnisse die nächste Woche bereit halten würde.

Am Flughafen Kulusuk - einem kleinen Gebäude auf einer geschotterten Hochebene zwischen schneebedeckten Bergen - angekommen, wurde den sechs Expeditionsteilnehmern bewusst, dass sie sich nicht mehr weit vom Ende der Welt entfernt befinden können. Umso erleichterter waren alle, als sie Expeditionsleiter Sven Gust von Northern Explorers A/S in Empfang nahm und sie mit ihrem Tauchgepäck zu dem kleinen Bootsanleger brachte. 

Am Ziel in Tasiilaq angekommen wurde die Unterkunft, ein schönes Einfamilienhaus mit traumhaftem Blick über den Fjord, bezogen und umgehend zur Taucher-WG erklärt: Die Veranda dient zum Ausziehen der nassen Anzüge, ein Bad wird zum Trockenraum umfunktioniert und der Gang wird zur Ankleidezone.

Auch wenn Sven am ersten Abend viel über das vielfältige Unterwasserleben geschwärmt hatte, waren sich alle sechs Taucher einig, was am ersten Tauchtag auf dem Programm stehen muss: Eisberge! Mit einem gut ausgestatteten Boot, das sogar eine kleine Kabinenheizung bot, ging es im windstillen Fjord Kong Oscar's Havn auf die Suche nach dem ersten Tauchziel. Mit erfahrenen Augen hatten Sven und der Kapitän Lars auch schnell einen stabilen und noch dazu blauen Eisberg ausgemacht.

Mit Wassertemperaturen von 0°C bis 2°C hatte jeder gerechnet, aber schon der erste Eisberg hielt einiges an Überraschungen bereit: Eine bis in unendliche Tiefen abfallend wirkende Eiswand. Kristallklares Eis - in allen Formen von rund über schroff bis spitz - in dem Luftblasen aus grauer Vorzeit eingefroren sind und die beim Schmelzen wie ein feiner Blasenvorhang aufsteigen. Garnelen, die den Eisberg geradezu überziehen und nur in der dünnen Schmelzwasserschicht überleben können. See-Engel und lumineszierende Rippenquallen knapp unter der Wasseroberfläche. Und nicht zuletzt eine imposante Geräuschkulisse durch das knackende Eis.

Nicht weniger beeindruckend war der zweite besuchte, weiße Eisberg mit seiner golfballähnlichen Oberfläche. Durch den Schreck, den ein paar während des Tauchgangs abbrechende Eisstücke verursacht haben, wurde allerdings allen schnell klar, um was für fragile Gebilde es sich handelt, die man niemals - gerade nicht beim Tauchen - unterschätzen darf.

Die nächsten vier Tage waren natürlich davon geprägt, unterschiedlichste Eisberge zu erkunden aber auch ein paar Tauchgänge an der Küste durchzuführen, um das vielfältige maritime Leben im Nordatlantik zu bestaunen. Der stärkste Kontrast herrscht allerdings bei nahe der Küste angestrandeten Eisbergen: Ein riesiger Eiskoloss, der sich an ein Bett aus Kelp, Kaltwasserkorallen, Seeanemonen, Schnecken, Steinfische und Flundern anschmiegt.

Sogar sehr kalte Gewässer müssen sich vor der Vielfalt und Faszination tropischer Gewässern nicht verstecken! Einer der Teilnehmer hatte sogar die Ehre in Grönland eine Tauchgangsnummer mit drei Nullen am Ende in sein Logbuch einzutragen.

In den naheliegenden Fjorden konnte man sich die Herkunft der Eisberge an kalbenden Gletschern vor Augen führen. Der Weg in den Fjord Sermilik ist ein wahrer Zick-Zack-Kurs zwischen Eisbergen unendlicher Vielfalt. Dort in der absoluten Abgeschiedenheit und Ruhe entsteht gerade ein kleines Camp mit ein paar Hütten, das Sven ab 2018 für seine Expeditionen nutzen will. Sobald man sich etwas in tieferes Gewässer begibt, sind Wale ständige Begleiter, nach denen man nur etwas Ausschau halten muss. Während der Tour konnten u. a. Finnwale, Buckelwale, Zwergwale und die imposanten Pottwale beobachtet werden.

Nach einer Woche war es dann unumgänglich auch wieder abzureisen. Zwar mit wehmütigem Blick, aber um viele unbezahlbare Erfahrungen und Erlebnisse reicher. Möglich gemacht hat das nicht zuletzt die perfekte Organisation und die langjährige Erfahrung, die Sven Gust und Northern Explorers A/S bei Touren in arktischen Gewässer haben. Beim Abflug waren sich, wie so oft in den vergangenen acht Tagen, alle einig, dass es ein Privileg ist, sich zu den wenigen Personen zählen zu dürfen, die in Ostgrönland tauchen waren und dass es hoffentlich keine "Once-In-A-Lifetime"-Tour bleiben wird.

 

© Text und Bilder: E. Köber, F. Dams